Der Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) ist als aktives Mitglied im Werkzeugmacher-Weltverband ISTMA engagiert. Seit Februar 2025 steht VDWF-Markenbotschafter Stephan Berz an der Spitze von ISTMA Europe. Angesichts der für viele Unternehmen existenzbedrohenden Herausforderungen, vor denen die Branche steht, fordert Berz mehr politische Unterstützung sowie eine Rückbesinnung auf lokale Partnerschaften. So soll die Schlüsselindustrie Werkzeug- und Formenbau in Europa geschützt werden.
Als „Rückgrat der Industrie“ nimmt der Werkzeug- und Formenbau eine Schlüsselrolle ein. Zentral für die Konstruktion und Herstellung seriell gefertigter Produkte aller Branchen, fungiert er als infrastrukturelle Basis der gesamten Wirtschaft und wirkt mit starken Multiplikator- und Übertragungseffekten auf sie ein: Auf jeden Arbeitsplatz in der Branche kommen viele weitere in vor- und nachgelagerten Industriezweigen, nicht nur dort, wo Stanz- und Umformwerkzeuge bzw. Spritzguss- oder Druckgussformen im Einsatz sind – auch Zulieferer und Dienstleister profitieren vom technologischen Fortschritt im Werkzeug- und Formenbau. Das Wissen, das dort entsteht, wird ebenso in anderen Branchen verwendet. „Tatsächlich hängen Produkt- und Prozessinnovationen, technologische Entwicklung und die Optimierung von Fertigungssystemen maßgeblich von den Fortschritten in dieser Branche ab“, erklärt Stephan Berz, Präsident der Europa-Abteilung des Werkzeugmacher-Weltverbands ISTMA.
Mittelstand mit globaler Verankerung – aber unter Druck
In Europa sind 95 Prozent der Unternehmen aus dem Werkzeug- und Formenbau kleine und mittelständische Betriebe. Trotz der tiefen Verwurzelung in ihren Regionen sind viele weltweit aktiv und in globale Wertschöpfungsketten eingebunden. Sobald eine Idee zu einem realen Produkt aus Metall, Kunststoff, Glas etc. werden soll, ist ihr Know-how gefragt. Gleichzeitig sind Werkzeugbauunternehmen aufgrund ihres geringen Kapitalpolsters und ihrer hohen Projektvolumina hier das wirtschaftlich schwächste Glied. Die wirtschaftliche Lage ist derart angespannt, dass bereits zahlreiche renommierte und innovative Unternehmen nicht nur in die Insolvenz geraten sind, sondern ihren Betrieb einfach eingestellt haben. Aus mangelnder Perspektive …
„Wenn Länder aber ihre Werkzeug- und Formenbaukapazitäten verlieren, geraten sie in Abhängigkeit, was essenzielle Produktionsmittel betrifft. Angesichts der wachsenden Konkurrenz aus Asien hat dies gravierende Folgen“, erklärt Berz. Trotz ihrer Bedeutung erhalten europäische Hersteller weder von Kunden noch von politischen Entscheidungsträgern Unterstützung – und die wäre angesichts wettbewerbsverzerrender Subventionen in anderen Ländern jedoch dringend notwendig.

Märkte in der Krise, Geschäftsmodelle im Wandel
Zahlreiche weitere Faktoren belasten die europäischen Unternehmen, nicht zuletzt auch der Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften. „Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine Ausbildung in der Branche. Die Produkte der Werkzeugmacher sind in der Gesellschaft nicht präsent – die wenigsten wissen auch, wie abwechslungsreich und hochtechnologisch der Beruf ist“, stellt ISTMA-Europe-Präsident Stephan Berz fest. Auch die stetig steigende Bürokratie macht es der Branche schwer: „Sie drängt uns Regularien auf, die unseren Zielen entgegenwirken, flexibler und kostengünstiger zu werden“, erläutert der Kunststofftechnik-Ingenieur. Hinzu kommen die hohe Steuerbelastung, steigende Finanzierungs- und hohe Energiekosten.
Zudem verliert die Automobilindustrie, die immer noch weit über die Hälfte der Werkzeugmacher mit Aufträgen versorgt, zunehmend an Bedeutung. „Aufgrund der andauernden unsicheren Auftragslage in diesem Bereich geht jegliche Planungssicherheit verloren“, so Berz. Zudem treiben steigende Energie-, Lohn und Finanzierungskosten bei gleichbleibenden OEM-Preisen viele Unternehmen nach Asien. Das Geschäftsmodell wird zunehmend unattraktiv, Margen und Produktivität sinken – begleitet von wachsender Preiskonkurrenz und Kommodifizierung. „Werkzeuge und Formen sind aber keine Handelswaren, sie sind vielmehr valide Produktionsmittel, Unikate, mit denen die Waren unseres Alltags erst effizient gefertigt werden können“, erklärt Berz. Unternehmen, die hierfür Technologien entwickeln, müssen selbst technologisch führend sein. Das wiederum erfordert Investitionen in Maschinen, Software und Automatisierung, was sich viele KMU, die unter dem Strukturwandel der europäischen Wirtschaft leiden, allerdings nicht mehr leisten können. Natürlich trägt auch die anspruchsvolle politische Situation – der Krieg gegen die Ukraine, die Zölle der US-Regierung – ihren Teil bei. Diese Vielzahl an Belastungen hat bereits dazu geführt, dass Frankreich und Spanien faktisch einen Kollaps der Branche verzeichnet haben. Schwere Krisen bestehen in Italien, Portugal und Deutschland – alles Länder, die zu den führenden Werkzeug- und Formenbau-Standorten gehören.
Strategien für eine starke Branche in Europa
Um sich den aktuellen Herausforderungen entgegenzustellen, ist es auf der betrieblichen Ebene nötig, verstärkt internationale Präsenz zu zeigen, auch mit neuen Geschäftsmodellen. Eine bessere Integration in globale Produktionsprozesse und die Diversifizierung von Branchen, Regionen und Kundenstruktur sind notwendig. Zusätzlich müssen Unternehmen mehr in Forschung und Entwicklung und in neue Technologien investieren. „Das sind Hausaufgaben, die innerhalb der Betriebe, innerhalb der Branche gemacht werden müssen“, sagt Stephan Berz. Außerhalb sei die Politik in der Pflicht, einen fairen Freihandel und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen durchzusetzen.
Zu den Maßnahmen, die in Europa die Schlüsselindustrie Werkzeug- und Formenbau schützen sollen, gehört laut Berz beispielsweise, Unternehmen den Zugang zu Projektfinanzierungen zu erleichtern und sie beim internationalen Marktzugang zu unterstützen. Förderprogramme für Forschung und Entwicklung seien ebenfalls dringend notwendig, um die vielen KMU der Branche in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Nicht zuletzt gehört es laut Stephan Berz auch zu den Aufgaben der Politik, auf Standortfaktoren einzuwirken: „Bürokratieabbau oder flexiblere Arbeitszeitgesetze sind in diesem Zusammenhang ebenso wichtig wie die schnelle Dekarbonisierung Europas durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie samt Infrastruktur“, denn Wettbewerbsfähigkeit hängt von Energiepreisen ab, und ebenso von der Nachhaltigkeit der Unternehmen.
Let’s make some noise!
„Source local“, heiße das Motto der Stunde, so Berz. „Die Zusammenarbeit mit lokalen Werkzeug- und Formenbau-Unternehmen bringt den Kunden jedenfalls eine ganze Reihe von Vorteilen!“ Technologisch wie kulturell, von der Konzeptphase bis hin zur Serienfertigung der Werkzeuge und darüber hinaus. Setzt man als europäisches Unternehmen auch auf europäische Werkzeugmacher, wirke man zudem dem Abfluss von Know-how und dem Missbrauch geistigen Eigentums entgegen, so Berz.
Der ISTMA-Europe-Präsident ordnet bei der Standortfrage die momentanen Anstrengungen seines Verbands folgendermaßen ein: „Die Bedeutung und Notwendigkeit des Werkzeug- und Formenbaus für funktionierende Industriestandorte hat man in China schon lange erkannt. Für unsere Probleme können wir unsere Konkurrenz aus Fernost mit ihren richtigen Entscheidungen also nicht verantwortlich machen. Vielmehr müssen wir auch in Europa ein Bewusstsein für unsere Branche schaffen, bei verschiedenen Regierungen das Wort erheben und dabei besonders die Rolle des Mittelstands betonen!“ Denn es sind gerade die kleinen Unternehmen, die „Hidden Champions“, in denen in Europa viele Ideen geboren werden und aus denen wesentliche Innovationen kommen, so Berz.
Der ISTMA-Europe-Präsident unterstreicht daher sein Vertrauen in die europäischen Wirtschaftsstandorte und in die Unternehmen: „Wir stehen vor großen Herausforderungen, aber wir haben es selbst in der Hand, unseren Werdegang zu gestalten!“ Berz ist überzeugt: „Wenn wir als Branche zusammenrücken, den Mut zur Veränderung aufbringen und unseren Wert klar nach außen kommunizieren, können wir in Europa auch schwierige Zeiten nicht nur überstehen, sondern sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen.“ Jetzt sei der Moment, aktiv zu werden – für eine starke Zukunft des europäischen Werkzeug- und Formenbaus!
Weitere Informationen ISTMA
Die International Special Tooling and Machining Association (ISTMA) ist der Werkzeugmacher-Weltverband. Die 1973 gegründete Vereinigung vertritt nationale und regionale Verbände sowie Unternehmen aus diesen Bereichen. Sie dient als globale Plattform für den Austausch von Wissen, Technologien und Best Practices aus der Werkzeug- und Formenbau-Branche. Die Hauptaufgaben der ISTMA sind dabei die Förderung der internationalen Zusammenarbeit, die Vertretung der Branche auf politischer und wirtschaftlicher Ebene sowie die Unterstützung ihrer Mitglieder durch Marktanalysen, Innovationstransfer und Ausbildungsinitiativen. Zudem organisiert die ISTMA regelmäßig Konferenzen, Fachmessen und Arbeitsgruppen zu relevanten Branchenthemen. Die operative Arbeit wird durch themenspezifische Komitees und Arbeitsgruppen unterstützt. Die ISTMA ist in drei Regionen unterteilt – Europa, Amerika und Asien – mit jeweils eigenen regionalen Organisationen. Der Dachverband wird von einem internationalen Vorstand geleitet, der aus Vertretern der Mitgliedsverbände besteht.
Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer
Der Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer e. V. (VDWF) ist der Industrieverband der Werkzeug- und Formenbau-Branche. 1992 gegründet, hat er heute über 500 Mitgliedsunternehmen und ist international vernetzt. Der Verband bündelt die Kräfte und das Wissen der überwiegend kleinen und mittelständisch geprägten Unternehmen der Branche und vertritt die Interessen des Industriezweigs gegenüber Behörden und Ministerien. Er initiiert als Begegnungsraum Veranstaltungen, vermittelt Kooperationen und fördert zudem die Aus- und Weiterbildung – in Zusammenarbeit mit der Hochschule Schmalkalden trägt der VDWF sechs berufsbegleitende Studiengänge.
